Ein Gastbeitrag von Swana Anders
2017 hat die Stadt Göttingen das erste Mal zum „Dialog der Religionen – Gemeinsam für mehr Toleranz“ eingeladen. Die Idee, sich mit Vertreter*innen der religiösen Gemeinden und Religionsgemeinschaften auszutauschen, entstand, da neben einer großen Offenheit in Bezug auf geflüchtete Personen und Menschen mit Migrationshintergrund auch teilweise latente Ängste und Ablehnungen bei einem Teil der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden.
Die regelmäßig stattfindenden interreligiösen Dialoge dienen seither der Verständigung und der Aufklärung von möglichen Vorurteilen und dem Abbau von Hemmnissen. Der Stadt Göttingen ist es wichtig, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und mit unterschiedlichen Glauben gleichberechtigt zusammenleben. Eigene Werte sollen entwickelt und bewahrt werden können. Menschen aus unterschiedlichen Kulturen sollen einander Respekt zollen und Toleranz zeigen. Offenheit, das Kennenlernen und Zugehen aufeinander, wie im Format des interreligiösen Austausches vorgelebt, sind für den wertschätzenden zwischenmenschlichen Umgang essentiell.
Die ca. zweimal jährlich stattfindenden Treffen werden von städtischer Seite von der Kultur- und Sozialdezernentin gemeinsam mit dem Büro für Integration organisiert und durchgeführt. Unterstützt wird die Stadtverwaltung bei den Vorbereitungen vom „Runden Tisch der Abrahamreligionen“, einem kontinuierlich tagenden Gesprächsforum von Angehörigen der Religionen Judentum, Christentum und Islam in Göttingen.
Zusätzlich zum Kennenlernen, Austausch und der Besprechung von aktuellen Anliegen sind in den Sitzungen des Dialoges der Religionen gemeinsame Projekte entwickelt worden. So wurde Anfang 2020 eine Broschüre der religiösen Gemeinden und Religionsgemeinschaften in Stadt und Landkreis Göttingen gemeinsam mit dem Integrationsbeauftragten des Landkreises erstellt. Diese Idee kam von den Religionsgemeinschaften selbst im Rahmen einer Sitzung des Dialoges der Religionen. In der Broschüre stellen 120 Religionsgemeinschaften und religiöse Gemeinden, davon 42 aus der Stadt Göttingen, sich selbst sowie ihre Aktivitäten vor. Die Broschüren sind online und gedruckt kostenfrei erhältlich. Weitere Auflagen sind geplant; es besteht die Hoffnung, dass die Broschüre noch weiteren religiösen Gemeinden und Religionsgemeinschaften als Anreiz dient, sich in einer Neuauflage vorzustellen, um die religiösen Angebote in der Region möglichst umfangreich abzubilden. Sowohl für Ortsansässige als auch für Neuzuziehende bietet die Broschüre einen Überblick über die religiösen Gemeinden und Religionsgemeinschaften, ihre Kontaktdaten und Angebote. Sollten mehrsprachige Aktivitäten angeboten werden, wird darauf verwiesen.
Zudem unterzeichneten Vertreter*innen der Stadt- und Kreisverwaltung sowie der interreligiösen Dialoge des Landkreises und der Stadt Göttingen im November 2019 eine „gemeinsame Erklärung für Frieden und gegenseitigen Respekt und gegen Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus“.
Die Erklärung lautet:
„Als Vertreter*innen der Religionsgemeinschaften und als Teilnehmer*innen des Dialoges der Religionen der Stadt und des Landkreis Göttingen setzen wir uns gemeinsam für ein friedliches und respektvolles Miteinander ein.
In den letzten Monaten häufen sich deutschlandweit und auch in Stadt und Landkreis Göttingen Berichte von Übergriffen auf Menschen, Orte und religiöse Einrichtungen, bei denen sich latent vorhandene menschenfeindliche Einstellungen in Taten manifestieren.
Es ist für uns nicht hinnehmbar, wenn Menschen sich nicht sicher fühlen und Angst haben müssen vor Beschimpfungen und Beleidigungen, Ausgrenzungen oder körperlichen Angriffen aufgrund ihrer Religion, Hautfarbe, Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung.
Die Themen Zuwanderung und Integration, kulturelle Vielfalt und Identität sind komplex und ihre Diskussion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe für die Bewohner*innen der Stadt und des Landkreises Göttingen. Bei uns haben Verunglimpfungen keinen Platz. Wir verstehen Vielfalt als Chance und plädieren für einen achtsamen und offenen Umgang in der gesellschaftlichen Debatte um religiöse und kulturelle Pluralität.
Uns verbindet, dass alle unsere Religionen für Nächstenliebe und Frieden stehen. Wir alle sind aufgefordert, durch unsere Kultur des Zusammenlebens Vorbilder zu sein und die Grundwerte unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft gemeinsam zu leben.“
„Gemeinsame Erklärung für Frieden und gegenseitigen Respekt und gegen Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus“ 2019
Die Erklärung wurde in einer Sitzung des städtischen Dialoges der Religionen, zu dem auch Vertreter*innen des interreligiösen Dialoges des Landkreises sowie der Integrationsbeauftragte des Landkreises eingeladen wurden, gemeinsam erarbeitet. Die gemeinsame Erklärung soll auf ein durch Achtsamkeit und Offenheit geprägtes Miteinander und die interkulturelle und interreligiöse Vielfalt in Stadt und Landkreis Göttingen aufmerksam machen. Die Unterzeichner*innen der Religionsgemeinschaften und religiösen Gemeinden sowie der Stadt und des Landkreises Göttingen setzen damit ein deutliches Zeichen gegen Ausgrenzungen und Diskriminierungen.
Vielfalt wird von den Unterzeichner*innen als Bereicherung wahrgenommen und die verbindenden Elemente der Religionen – wie Nächstenliebe und Frieden – werden in den Fokus gesetzt. Mit der Unterzeichnung der Erklärung fungieren die Vertreter*innen der Religionsgemeinschaften und religiösen Gemeinden als Vorbilder einer Kultur des Zusammenlebens und leben gemeinsam die Grundwerte der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft vor.
Die Erklärung wurde in einer Feierstunde im November 2019 im Alten Rathaus Göttingen unterzeichnet. Insgesamt verzeichnet die Erklärung 47 Unterschriften.
Auch in den kommenden Jahren sollen Veranstaltungen und Projekte gemeinsam und bedarfsorientiert entwickelt werden.
Seit 2010 veröffentlicht das Büro für Integration der Stadt Göttingen jährlich einen interreligiösen Jahreskalender. Dieser wird kostenfrei an öffentlichen Plätzen ausgelegt und an diverse Organisationen und Institutionen verschickt, wie Migrant*innenselbstorganisationen, Schulen, Wohlfahrtsverbände, politische Gremien u.v.m. Der interreligiöse Jahreskalender beinhaltet die wichtigsten Fest- und Feiertage der in Göttingen am häufigsten vertretenen Religionen sowie eine jährlich wechselnde Kurzinformation (beispielsweise über Hochzeitsrituale oder Symbole der Religionen). Auch bei dem Jahreskalender wird Rücksprache mit den Vertreter*innen der Religionsgemeinschaften gehalten.
Der interreligiöse Austausch ist der Stadt Göttingen wichtig, daher ist dieses Thema auch in der zweiten, vom Rat verabschiedeten, Fortschreibung des Integrationskonzeptes verankert: „Die Stadt Göttingen steht für Toleranz, Offenheit und Vielfalt und fördert den interkulturellen und interreligiösen Austausch.“
Über die Autorin
Swana Anders ist Mitarbeiterin des Büros für Integration der Stadt Göttingen. Dieser Beitrag erscheint als Teil einer Reihe von Beiträgen aus der kommunalen Praxis, die als Resonanz auf unseren Call for Blogposts entstanden sind.
Zitiervorschlag: Swana Anders (2020): Dialog der Religionen in der Stadt Göttingen. Ein Gastbeitrag, in: Diversität, Teilhabe und Zusammenhalt in der Kommune (Weblog), online: http://vielfalt-kommunal.uni-goettingen.de/index.php/2020/08/16/dialog-der-religionen-in-der-stadt-goettingen/.